Essig – heilsam oder schädlich?

Autor: Adventistischer Arbeitskreis Ernährung, unter der Leitung von Amy Petschnig (Diätologin) und unter Mitarbeit u.a. Anita Spuller, Elias Schwarz, Heidi Kohl, Karina Lipitz, Margit Marek, Martin Neumann

Ellen G. White über Essig – eine Analyse

Essig (bzw. Gärungsessig) liegt vor, wenn die Essigsäure durch doppelte Fermentation entstanden ist (Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz). Ein Kohlenhydrat gärt zu Alkohol und dieser zu Essig. Essig bezeichnet prinzipiell alle Flüssigkeiten, in denen Essigsäure enthalten ist. Die Säure entsteht, etwas vereinfacht ausgedrückt, aus Alkohol, der von gleichnamigen Essigsäurebakterien unter Zuhilfenahme von Sauerstoff in Essigsäure umgewandelt wird (Öko Test 2023).

Essig ist ein Erzeugnis, dass (in Deutschland) offiziell mind. 5 % und max. 15,5 % Säure enthalten darf (Bundesministerium der Justiz). Im Österreichischen Lebensmittelbuch wird nur die Mindestmenge, aber nicht die maximale Menge an Essigsäure im Essig geregelt (Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz). Im Jahr 2020 verbrauchte ein Österreicher pro Jahr durchschnittlich 5 Liter Essig (Statista). Der globale Essigmarkt wurde im Jahr 2022 auf 6,41 Milliarden US-Dollar geschätzt und wird voraussichtlich weiter wachsen (Consumer Goods).

Was schrieb Ellen G. White über Essig?

Ellen G. White (1827-1915) drückte sich zum Thema Essig sehr direkt und unverblümt aus. Es folgen einige warnende Zitate, die ihre Haltung zum Thema ausdrücken:

»Die Salate werden mit Essig und Öl zubereitet. Im Magen tritt Gärung auf, die Speise wird nicht verdaut, sondern zerfällt und geht in Fäulnis über. Dem Blut wird folglich keine Nahrung zugeführt, es wird vielmehr verseucht. Leber- und Nierenbeschwerden sind das Ergebnis.« Brief 9, 1887

Ellen White beschrieb auch ihren eigenen Kampf in der Überwindung von Essig:

»Ich hegte eine Vorliebe für Essig. Aber ich setzte mir vor, diese Begierde mit der Hilfe Gottes zu überwinden. Ich kämpfte gegen die Versuchung an und war entschlossen, mich von dieser Leidenschaft nicht beherrschen zu lassen. … Ich widerstand weiterhin dem Verlangen nach Essig. Schließlich überwand ich. Heute gelüstet mich nicht mehr danach. Diese Erfahrung ist mir in vieler Hinsicht wertvoll geworden. Ich errang damals einen vollständigen Sieg.« Brief 70, 1911

Über Essiggurken (bzw. Essiggemüse) schrieb sie:

»Je weniger erregend die Ernährung in dieser schnellebigen Zeit ist, desto besser ist es. … Essiggurken und derlei Dinge reizen den Magen, erhitzen das Blut (feverish auf Englisch) und machen es unrein.« The Ministry of Healing, 325.1-2 (1905)

»Essiggurken sollten nie in einen menschlichen Magen gelangen, denn sie erzeugen schlechtes Blut.« Testimonies for the Church, Band 2, 368.3 (1870)

Ein schädigender Effekt von Essig wird auch in einem weiteren Zitat in Zusammenhang mit Fleisch, Zucker, Schwarztee und Kaffee erwähnt (20MR 2.4). Das sind Lebensmittel, die aufgrund von schädlichen Inhaltsstoffen nur in Maßen, wenn überhaupt, konsumiert werden sollten. Interessant ist, dass sie gemeinsam genannt werden.

Übrigens lehnte Jesus am Kreuz ein Getränk aus Galle und Essig ab (vgl. Psalm 69,21.22), da es seinen Geist trüben und seinen Sinn betäuben könnte (vgl. LJ 747.2). Klarerweise handelt es sich hier um eine Ausnahmesituation, die der Vollständigkeit halber dennoch nicht unerwähnt bleiben soll.

Umstände, Lebensmittel und Esskultur zur Zeit von Ellen G. White

Im 19. Jahrhundert gab es viele Änderungen in der Essigproduktion. Herstellungstechniken wurden entwickelt, die die Herstellungsdauer von Essig von mehreren Monaten auf ein bis zwei Wochen verkürzte. Das bewirkte den Anstieg der Produktionsmenge von Essig aus reinem Alkohol, also Branntweinessig (= Weingeistessig).

Im 20. Jahrhundert gab es nochmals revolutionäre Änderungen in der Essigproduktion, welche die Produktionsdauer auf ein bis zwei Tage reduziert hat. Das erlaubte eine Massenproduktion von günstigem Essig um die Welt (Vinegar, 2024). Ellen White schreibt also in einer Zeit, in der die verwendete Essigmenge gerade stark am anstieg und eine große Essigmenge am Esstisch nichts Ungewöhnliches war.

Zur Zeit von Ellen White (19. Jh.) waren Konservendosen noch kein Standardprodukt. Das änderte sich erst durch die Weltkriege. Auch das Einkochen als Methode, um Lebensmittel haltbar zu machen, fing erst Anfang des 20. Jahrhunderts an (International Food Additives Council). So mussten die Menschen vor dieser Zeit auf andere Methoden der Vorratshaltung zurückgreifen, wie beispielsweise das Einlegen in Essig. Daraus lässt sich schließen, dass der Essigkonsum damals erheblich höher war, als es heute der Fall ist.

Es gibt Grund zur Annahme, dass zu Ellen Whites Zeiten noch deutlich mehr Personen ihren eigenen Essig hergestellt haben. Indem sie Wein verderben ließen, konnten Essigsäurebakterien den Alkohol zu Essigsäure umwandelen. Es ist zu vermuten, dass eine nennenswerte Menge Alkohol in einigen dieser selbstgemachten Essige zu finden war. Acetaldehyd, ein Nervengift, kam möglicherweise in größeren Mengen im Essig vor (Siehe „Acetaldehyd“ weiter unten). Auch die Menge der Essigsäure im Essig war möglicherweise höher als heute.

Was sagte Ellen G. White über Apfelessig?

Leider kein Wort. Der beliebte und volkstümlich als Heilmittel gesehene Apfelessig ist keine neue Erfindung, auch zu Ellen Whites Zeiten gab es diesen bereits. Es bleibt ein Rätsel, warum sie den Apfelessig in all ihren Schriften nie beim Namen nennt. Wie im nächsten Abschnitt diskutiert wird, gibt es heute Nachweise auf eine positive Wirkung von Apfelessig auf die Gesundheit.

Jedoch soll eine Nichterwähnung als Grund für oder gegen den Konsum von Apfelessig kein Argument darstellen. Möglicherweise sah Ellen White den Apfelessig lediglich als eine von vielen Essigsorten, deren Konsum sie generell nicht befürwortete, und sah daher keinen Anlass, ihn explizit zu erwähnen. Das ist eine plausible Vermutung, kann anhand ihrer Schriften aber nicht belegt werden. William Fagal, ehemaliger stellvertretender Direktor vom Ellen G. White Estate, reagierte 2018 auf eine Frage zu Apfelessig mit derselben Vermutung (siehe Fagal 2018).

Arthur L. White, einer der sieben Enkel von Ellen White, reagierte 1960 in Ellen G. White Publications auf eine Frage zum volksmedizinischen Trend, morgens ein Glas Wasser mit Apfelessig und Honig zu trinken. Er sprach sich gegen diesen Trend aus und berief sich auf bereits oben erwähnte Zitate von Ellen G. White. Er sah also in Apfelessig keine Ausnahme im Vergleich zu anderen Essigsorten (White, 1960).

Ergebnisse der Forschung – die Studienlage

Mögliche gesundheitliche Vorteile von Essig

Ein Review von 2020 untersuchte 883 Publikationen über Essig und fand, dass Essig folgende Gesundheitsvorteile mit sich bringen kann: antimikrobiell, antioxidativ, cholesterinsenkend, hilfreich gegen Fettleibigkeit, blutdrucksenkend und immunstimulierender Effekt (Zhang, 2020).

Essig senkt effektiv den postprandialen (=nach einer Mahlzeit) Blutzucker- und Insulinspiegel – könnte daher für Diabetiker hilfreich sein (Shishehbor, Mansoori and Shirani, 2017).

Eine Studie zeigte, dass sich bei Ratten mit Diabetes der Langzeitzucker-Wert (HbA1c) und das Fettsäureprofil (weniger Tryglyceride und mehr HDL Cholesterin) aufgrund des Apfelessigverzehrs verbesserte. Bei gesunden Ratten führte der Essigkonsum zu einem besseren Fettsäureprofil (weniger LDL und mehr HDL Cholesterin). Das verbesserte Fettsäureprofil, das die Ratten durch Apfelessig bekamen, könnte für den Umgang mit Komplikationen rund um Diabetes von großem Wert sein (Shishehbor, 2008).

Essig Verstärkt das Sättigungsgefühl, was beim Gewichtsmanagement eine Rolle spielen könnte (Ostman, 2005).

Eine Studie von 2009 zeigt einen positiven Effekt von Essig bzw. Essigsäure auf die Gewichtsreduktion und diverse Blutwerte. Diese Studie zeichnet sich durch ihre hohe methodische Qualität aus, bedingt durch das doppelblinde, randomisierte und placebo-kontrollierte Studiendesign. Die Studie analysierte die Wirkung von Essigsäure auf die Gewichtsreduktion, wobei zwei Versuchsgruppen jeweils 750 mg bzw. 1.500 mg Essigsäure erhielten und eine dritte Gruppe als Placebo-Kontrolle diente. Ungefähr 150 Teilnehmer wurden in diese Studie eingeschlossen. Die beobachteten Gewichtsverluste im Bereich von 1 bis 2 Kilogramm sind zwar nicht außergewöhnlich hoch, jedoch ist die methodische Erfassung der Ergebnisse durch den Einsatz von Waagen und Computertomographie-Scans (CT-Scans) hervorzuheben, was eine präzise Quantifizierung der Körperzusammensetzung ermöglichte (Kondo, 2009).

Mögliche gesundheitliche Nachteile von Essig

Essigsäure ist das Standardprotokoll um in Tierversuchen Magengeschwüre zu erzeugen (Susumu and Kikuko, „An Overview of Acetic Acid Ulcer Models—The History and State of the Art of Peptic Ulcer Research“, 28(8), pp. 1321–1341, 2005).

Essig ist zwar stärker oder weniger stark verdünnte Essigsäure, aber die Wirkung, die sie hier bei Mäusen zeigt, unterstützt die Aussagen von Ellen White, dass Essig den Magen reizt.

Der postprandiale Blutzuckerspiegel von Diabetiker reduzierte sich bei der Zugabe von Apfelessig nur bei hochglykämischen (=Blutzuckerspiegel steigt schnell und stark an) Mahlzeiten (z. B. Kartoffelpüree). Bei niedrigem glykämischen Index jedoch (z. B. Vollkornbrot mit Salat) zeigte sich keine Veränderung. (Johnston, Kim and Buller, 2004).

Je vollwertiger die Ernährung, desto weniger Wirksam scheint der positive Essig-Effekt auf den Blutzucker zu sein. Laut Zentrum für Gesundheit hat Essig keine pauschal blutzuckersenkende Wirkung bei Diabetes oder Insulinresistenz, sondern vielmehr eine sanft regulierende Rolle (Rehberg, 2024).

Acetaldehyd

Acetaldehyd ist ein Nervengift, es kann gehirnschädigend wirken und wird der Gruppe 1 von krebserregenden Stoffen zugezählt (Zachut, Shapiro and Silanikove, 2016). Es entsteht als Zwischenprodukt in der Essigherstellung und ist üblicherweise in Essig zu finden. Alkohol wird enzymatisch zu Acetaldehyd abgebaut und dann durch das Enzym „Aldehyd Dehydrogenase“ zu Acetat abgebaut, wodurch Essig seinen sauren Geschmack erhält (Young, 2022).

Studien haben ergeben, dass unter verschiedenen Lebensmitteln Essig die höchste Konzentration an Acetaldehyd aufweist (Zachut, Shapiro and Silanikove, 2016).

Die höchsten Werte wurden im Malzessig (20–1060 mg/kg) festgestellt. Herkömmlicher Tafelessig enthält allerdings deutlich weniger Acetaldehyd, je nach Herstellung kann die Menge sehr variieren. Die meisten Lebensmittel enthalten weniger als 20 mg/kg und alle Studien, die einen höheren Gehalt nachweisen, sind von 1982 oder noch früher. Möglicherweise liegt das an den heutigen Herstellungstechniken und damaligen analytischen Mängeln (Uebelacker and Lachenmeier, 2011).

Hier sehen wir, dass sich die Essigqualität seit Ellen Whites Zeiten zumindest etwas verbessert hat.

Kohlenhydrat => Alkohol => Acetaldehyd => Essig

In seinem Herstellungsprozess war Essig zwei Mal „Gift“ – Alkohol und Acetaldehyd.

Laut dem Österreichischen Lebensmittelbuch muss Essigsäure, die zur Herstellung von Säureessig bestimmt ist, unter 100 mg/kg Acetaldehyd, bezogen auf 100 %ige Essigsäure, enthalten.(Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz).

Es ist spannend, dass in der Wissenschaft auch negative Aspekte zum Essigkonsum zu finden sind. Leichter sind allerdings Vorteile zu finden – vielleicht weil keiner Interesse daran hat, das Gegenteil zu beweisen? Da die Essigindustrie bestimmt an der Finanzierung vieler Essigstudien beteiligt ist, ist zu erwarten, dass sich die Studien auf die positiven Effekte vom Essig konzentrieren.

Essig und Krebs

Bei Krebs sind sich Experten uneinig: Ein Review aus 2006, der den medizinischen Einsatz von Essig untersuchte, fand Folgendes: Es gibt Studien, die auf eine antikanzerogene (= gegen Krebs) Wirkung von Essig hinweisen, allerdings findet man nur spärlich epidemiologische Daten. In einer Studie aus China wurde die Essigeinnahme mit einem verringerten Risiko für Speiseröhrenkrebs assoziiert. Allerdings wurde der Essigkonsum in einer anderen Studie aus Serbien mit einem 4,4-fach höherem Risiko für Blasenkrebs assoziiert (Johnston and Gaas, 2006).

Apfelessig enthält einen Stoff, der weder im Apfel, noch im Apfelwein zu finden ist. Dieser Stoff zeigte sich in einer Studie mit Mäusen als krebsbekämpfend (Abe, 2007).

Es zeigt sich allerdings, dass die Datenlage in Bezug auf Krebs und Essig Großteils widersprüchlich und unklar ist.

Zusammenfassung der Studienlage

Zusammenfassend lässt sich zur Studienlage sagen, dass nicht alle Studien vergleichbar sind. Ein großer Teil der Forschungsarbeiten besteht aus Tierversuchen. Bei denjenigen Experimenten, die mit menschlichen Teilnehmern durchgeführt wurden, waren sich diese oft bewusst, dass sie Essig konsumierten, was potenziell zu einem Placeboeffekt führen könnte. Die Anzahl der Probanden ist ebenso relevant. Dr. Stefan Kabisch des „Deutschen Instituts für Ernährungsforschung“ soll laut einem Bericht aus 2019 Folgendes über Apfelessigstudien gesagt haben: 

Das sind alles relativ kleine Studien mit sehr überschaubaren Probandenzahlen, und auch die Effekte, die man da sieht, sind sehr variabel. In manchen Studien sieht man einen Effekt, in manchen ist einer zu sehen, der sehr überschaubar und klein ist. Die große Essigstudie mit 1000 Probanden gibt es nicht, sodass das kein Befund ist, der richtig gut belegt ist.“ Und weiter sagt er, dass Essigsäure ein Molekül ist, „das tatsächlich auch aus der normalen Nahrung ganz physiologisch entsteht. In unserem Darm und zwar völlig unabhängig davon, ob wir Essig zu uns nehmen oder nicht. Von dieser Essigsäure weiß man durchaus, dass sie biologische Wirkungen hat. Dass bestimmte Entzündungsprozesse zurückgehen, dass sich die Insulinsensibilität verbessert. Und auf dem Wege ist es häufig so, dass sich auch das Fettprofil im Blut verbessert. Das betrifft aber in diesem Maße Essigsäure, die erst im Darm entsteht. Und vor allem entsteht sie da in viel größeren Mengen, als sie überhaupt in einem Teelöffel enthalten sein kann. (…) Also, gerade bei Lebensmitteln, die besonders sauer sind, ist im Prinzip dieser Nutzen relativ fraglich, denn sobald irgendwelche Lebensmittel im Magen landen und der Magen nun einmal per se sehr sauer ist, deutlich saurer als der Essig, ist damit der Nutzen des Essigs eigentlich schon verpufft, der kann gar nichts zusätzlich bewirken. (…)
Also, wenn man jeden Morgen einen kleinen Schluck Apfelessig trinkt, wird das der Gesundheit wahrscheinlich nicht relevant schaden. Es wird ihr aber auch sehr wahrscheinlich nicht relevant nützen. Man kann das im Prinzip lassen. Die Essigsäure, die unserem Körper wirklich guttut, die gewinnen wir am besten selber aus Ballaststoffen. Pflanzenbetonte Kost – darauf sollte man Wert legen. Viel Gemüse, viel Rohkostgemüse zu sich nehmen, reichlich Getreideprodukte auswählen, dann macht man das Meiste richtig.

Wiese, 2019

Angela Clausen, Ernährungswissenschaftlerin bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, erklärte im selben Bericht laut einem Interview, dass die oftmals angepriesenen Calcium- und Magnesiumgehalte in Apfelessig überschätzt werden. Tatsächlich enthalten entsprechende Mengen Apfelsaft vergleichbare Mengen an Vitaminen und Mineralstoffen. Sie weist zudem darauf hin, dass die positiven Effekte von Apfelessig auf den Insulinstoffwechsel hauptsächlich auf Beobachtungsstudien oder Tierversuchen basieren. Dies reicht nicht aus, um zu behaupten, dass der tägliche Konsum von zwei Esslöffeln Apfelessig eine medikamentöse Behandlung ersetzen könnte (Wiese, 2019).

Was nun?

Die Studienlage ist also nicht eindeutig, um eine klare Schlussfolgerung zu ziehen. Daher stellen sich zwei spannende und außerordentlich wichtige Fragen, die in Bezug auf Essig sowie die Gesundheitsbotschaft insgesamt geklärt werden müssen:

Was wäre, wenn die Studienlage eindeutig gegen Essig sprechen würde?

Das wäre sicher vorteilhaft, denn so würde die Wissenschaft die Gesundheitsbotschaft mit den Aussagen von Ellen G. White bezüglich Essig „beweisen“ – nicht wahr? Um eine umfassende Bewertung vorzunehmen, muss jedoch zusätzlich eine ergänzende Frage in Betracht gezogen werden:

Was wäre, wenn die Studienlage eindeutig für Essig sprechen würde?

Die Rolle der Wissenschaft als Bewertungsinstanz für die von Gott übermittelte Gesundheitsbotschaft führt zu einer doppelten Möglichkeit: Sie kann diese Botschaft sowohl bestätigen als auch widerlegen. Es wäre irreführend, ausschließlich den Studien Glaubwürdigkeit zuzusprechen, die die Gesundheitsbotschaft unterstützen, während man jene, die dagegen sprechen, ignoriert. Im Kontext der Erstkommunikation kann ein selektiver Umgang mit Studien (d.h. die Berücksichtigung nur derjenigen Studien, die eine Gesundheitsthese stützen) eine gemeinsame Ausgangsbasis schaffen und für viele Menschen akzeptabler sein, als sich auf die Aussagen einer Person zu berufen, die vor 150 Jahren lebte. Das übergeordnete Ziel bleibt jedoch, das Interesse so zu lenken, dass von Gott inspirierte Schriften maßgeblicher angesehen werden als wissenschaftliche Erkenntnisse, die sich ohnehin ändern oder sogar widersprechen können. Diese Überlegungen basieren auf einem kürzlich im Adventist Record von Daniel Livingstone veröffentlichten Artikel (Livingston, 2024).

In Bezug auf die Frage, ob Lebensmittel, über die Ellen White schrieb, heute noch dieselben oder äquivalent zu denen ihrer Zeit sind, lässt sich im Fall von Essig feststellen, dass sich Essig grundlegend kaum verändert hat. Mögliche Unterschiede in den Konzentrationen von Alkohol, Essigsäure und Acetaldehyd, obwohl verbessert, sind wahrscheinlich nicht ausschlaggebend dafür, dass Essig als gesundheitsfördernd betrachtet werden könnte. Eine Spur weniger schädlich ist nicht gleich gesund.

Es ist nicht immer möglich zu ergründen, warum Ellen White bestimmte Anweisungen so formulierte, wie sie es tat. In ihrem Werk Auf den Spuren des großen Arztes finden sich 82 Anweisungen (Aussagen darüber, was getan oder unterlassen werden sollte) und 76 Begründungen (Erklärungen, warum diesen Anweisungen gefolgt werden sollte). Bezogen auf Essig lautet die Anweisung vereinfacht „Meide Essig“, während die Begründung darin besteht, dass Essig das Blut verunreinigt, den Magen reizt und zu Beschwerden der Leber und Nieren führen kann. Trotz der Fragen, die einige von Ellen Whites Aussagen aufwerfen mögen, bieten folgende Fakten beim Lesen ihrer potenziell umstrittenen Aussagen eine Basis für Vertrauen und Gewissheit in ihre prophetischen Worte (Quelle: McMahon, Acquired or Inspired? Exploring the Origin of the Adventist Lifestyle (Signs Publishing Company, 2005), 30+34):

Jahr82 „Was“-Aussagen76 „Warum“-Aussagen
196059% verifiziert42% verifiziert
200087% verifiziert45% verifiziert

Ellen White war keine ausgebildete Medizinerin, und vieles war zu ihrer Zeit noch unerforscht, was dazu führte, dass einige ihrer Erklärungen aus heutiger Sicht nicht immer nachvollziehbar sind. Dennoch ist es sowohl faszinierend als auch bestärkend, dass sich, wie aus McMahons Analyse hervorgeht, im Laufe der Zeit immer mehr ihrer Anweisungen wissenschaftlich untermauern lassen. Es zeigt sich, dass mit dem Fortschritt der Wissenschaft zunehmend mehr ihrer Aussagen bestätigt werden können. Bis zum Jahr 2000 waren bereits 87­ % ihrer Anweisungen nach McMahon verifiziert, und dieser Anteil scheint stetig zu wachsen. Es ist dabei wesentlich zu erkennen, dass Wahrheit nicht erst durch ihre Belegbarkeit zu Wahrheit wird.

Essig-Mythos?

Möglicherweise handelt es sich beim Apfelessig-Trend um einen Mythos, wie es auch beim Rotwein war. Dem Rotwein wurden großteils, aufgrund des enthaltenen Resveratrols, gesundheitliche Vorzüge zugesprochen. Allerdings sind darin nur sehr geringe Mengen an Resveratrol enthalten. Resveratrol ist ebenso in der unverarbeiteten Weintraube vorhanden bzw. findet hier ihren Ursprung. Klar ist, dass Rotwein nicht gesund ist und wenn, dann in der natürlichen Weintraube alle versprochenen Vorzüge zu finden sind, die dem Rotwein nachgesagt wurden, allerdings ohne die schädlichen Nebenwirkungen von Alkohol. Auf Essig bezogen könnte dieses Prinzip heißen – lieber den natürlichen und nebenwirkungsfreien Apfel als den Apfelessig mit den Hinweisen auf Nebenwirkungen konsumieren.  Das würde sich auch mit dem immer wieder betonten Prinzip von Ellen White decken, dass unsere Lebensmittel  „so einfach und natürlich wie möglich zubereitet“ werden sollten (SGA 239.1). Schließlich gibt es keine Nebenwirkungen, wenn völlig auf Essig verzichtet wird. 

Essig-Alternativen

Der Klassiker unter den Essigalternativen ist wohl die Zitrone. Diese Vitamin C-reiche Zitrusfrucht kann den Essig sowohl bei Salatmarinaden als auch beim Gemüse Haltbarmachen ersetzten. 

Hier ein Rezept für eine Variante der Essiggurken ohne Essig – nämlich Zitronengurken. 

Zutaten:  

  • 1 Liter Wasser
  • 2 gestrichene EL Salz  
  • 100 ml Saft von Zitronen          
  • 1 gehäufter El Honig
  • 2 EL Senfkörner
  • 3-4 Knoblauchzehen klein geschnitten
  • 3 EL Dill
  • 1,4 kg kleine junge Gurken

Zubereitung: Gurken waschen und in Gläser füllen. Alle anderen Zutaten aufkochen und zu den Gurken gießen. Gläser verschließen und in einem Einwecktopf 1 Stunde bei 80 bis 90 Grad sterilisieren.

Für Salat können beispielsweise auch folgende saure Alternativen eingesetzt werden:

  • Limettensaft
  • Granatapfelsaft
  • Orangensaft 

Manch einer wird einwenden, dass Zitronen nicht gerade heimisch sind (zumindest die Zitronen, die üblicherweise im Handel zu finden sind). Hier nun auch heimische(re) Essig-Alternativen, die vor allem für Salate eingesetzt werden können:

  • Beeren schmecken säuerlich (z. B. Brombeeren, Ribiseln/Johannisbeere) 
  • Brottrunk 
  • Waldsauerklee (ggf. getrocknet)
  • Sauerkrautsaft
  • Saft von Salzgurken (wenn selbst gemacht, sonst zu salzig für gewöhnlich)

Ribisel/Johannisbeer-Dressing 

  • 2 EL rote Ribiseln 
  • 2 EL schwarze Ribiseln
  • 3 EL Honig
  • 2 Knoblauchzehen 
  • 1 Prise Salz
  • 8 EL Olivenöl 
  • Ggf. Gemüsebrühe 
  • Ggf. Saft einer ½ Zitrone (für mehr Säure)

Zubereitung: Beeren mit Honig pürieren, gepressten Knoblauch und weitere Zutaten dazu mischen. Passt gut zu Blattsalat oder Blattsalat mit Gurken. 

Variation: Gemixte Ribiseln mit Teesieb filtern (wenn keine Kerne gewünscht sind) und mit Olivenöl (oder Sesamöl), Knoblauch und Kräutersalz mischen. 

Tipp: Ribiseln können auch in größerer Menge gemixt werden und in Eiswürfelformen oder Schraubgläsern eingefroren werden und im Winter portionsweise aufgetaut werden.

Mit Essig backen?

Essig zu erhitzen, indem er beispielsweise zum Backen verwendet wird, ist tatsächlich ein Weg, um den Essig verträglicher zu machen. Die Essigsäure hat ihren Siedepunkt bei 120 Grad und beginnt dann zu verdampfen (Genzardi et al., 2022).

Conclusio

Ellen White schreibt, dass auf Essig und Essiggurken verzichtet werden sollte. Der heutige Essig mag zwar eine Spur weniger schädlich als zur Zeit von Ellen Whites sein, macht den heutigen Essig jedoch nicht unbedenklich bzw. empfehlenswert. Angesichts dessen, dass Essig weitestgehend dasselbe Produkt ist wie damals, ist es angebracht, ihre Ratschläge auch heute noch zu beherzigen.

Aus wissenschaftlicher Perspektive werden Essig sowohl positive als auch negative Eigenschaften zugeschrieben. Eine Ernährung, die auf den Konsum von Essig verzichtet und stattdessen auf Vollwertkost setzt, führt zu keinen negativen Nebeneffekten, die hingegen durch den Verzehr von Essig potenziell auftreten können. Die Risiken, die mit dem Essigkonsum verbunden sind, überwiegen somit die vielfach behaupteten positiven Gesundheitseffekte. Je weniger Essig verwendet wird, desto besser – am besten bleibt es jedoch, ihn ganz wegzulassen. Essigalternativen sind reichlich zu finden.

Gott möchte uns mit seiner Gesundheitsbotschaft nur Gutes tun und segnen. Gottes Segen für deine Entscheidungen und Freude am Herrn.

Quellennachweise

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