Die Entwicklung adventistischer Glaubensüberzeugungen

Früher oder später wird jeder Nachfolger Jesu herausgefordert, Rechenschaft von seinem Glauben zu geben (vgl. 1. Petrus 3,15). Vielleicht kennst du auch den fragend bis skeptischen Blick des Fragenden auf dein Bekenntnis: „Ich bin ein Siebenten-Tags-Adventist“. Damit ergibt sich wunderbar die Gelegenheit, über zwei wichtige Punkte deines Glaubens zu sprechen!

Den Pionieren der Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten ging es ähnlich. Wenn sie nach ihrem Glauben gefragt wurden, konnten sie zwar bis Mai 1863 noch nicht mit der Zugehörigkeit zu einer Kirche antworten, aber sie wussten genau, was sie glaubten und warum sie zu dieser Bewegung gehörten. Wie gut ist es doch, wenn man seinen Glauben kurz mit Bibeltexten zusammenfassen kann! Die 28 Glaubensüberzeugungen sind da sehr hilfreich.

In diesem Artikel möchte ich kurz auf die Entdeckung der „Grundpfeiler“ eingehen, also die Glaubensüberzeugungen, die damals als „Gegenwärtige Wahrheit“ (engl. present truth) bezeichnet wurden.

Der Advent

Zwei davon stehen im Namen „Kirche der Siebenten-Tags-Adventisten“. „Advent“ ist lateinisch und heißt „Ankunft“. Beim ersten Advent wurde Jesus Christus Mensch. Der zweite Advent ist die Wiederkunft, also der Tag, wo Jesus zur Erde kommt und die Toten im Herrn auferstehen und für immer bei ihm sein werden.[1] Es geht also um Jesus Christus. Er steht im Zentrum!

Nun glauben ja andere Christen ebenfalls, dass Jesus wiederkommt, nennen sich aber deswegen nicht Adventisten.

Diese Bezeichnung geht zurück auf die Bewegung von William Miller (1782-1849). Er predigte ab 1831 in Nordamerika, dass Jesus um das Jahr 1843/44 wiederkommen würde. Er begründete dies mit Prophezeiungen aus der Bibel, vor allem mit dem Ende der 2.300 Tage (Jahre) aus Daniel 8,14. Die Wiederkunft nennt man engl. „Second Advent“. So fanden in der „Second Advent Movement“ die „Second Advent Meetings“ mit den „Second Adventists“ statt. Irgendwann wurde „Second“ einfach weggelassen und die Anhänger der Miller-Bewegung (Milleriten) kurz „Adventists“, also „Adventisten“ genannt.

Als im September 1860 in Battle Creek die sabbathaltenden Adventisten eine offizielle Verlagsgesellschaft gründeten und einen Namen brauchten, entschieden sie sich bei einer Abstimmung, den Namen „Adventisten“ beizubehalten.

Der Siebente Tag

Der erste Teil im Namen „Siebenten-Tags-Adventisten“ bezieht sich natürlich auf den Sabbat, also den Tag, an dem Gott die Schöpfung vollendet und an dem er geruht hat. Diesen siebenten Tag hat Gott geheiligt und gesegnet (1. Mose 2,2-3) und geboten, diesen Tag zu heiligen (2. Mose 20,8-11). Die Juden halten diesen Tag bis heute. Im deutschsprachigen Raum nennen wir diesen Tag Samstag oder Sonnabend.

Viele Christen halten jedoch den Sonntag als Sabbat. So war es auch bei der kleinen Kirche in Washington (New Hampshire). Ihr Pastor Frederick Wheeler (1811-1910) war Adventist. Im Februar 1844 wurde er von Rachel Oakes (Preston) auf die 10 Gebote angesprochen und ermutigt, alle Gebote zu halten, einschließlich des vierten, wo es um den Siebenten-Tags-Sabbat geht. Oakes gehörte zu den Siebenten-Tags-Baptisten. Sie überzeugte auch Familie Farnsworth, bei der sie zu Gast war. So begann eine kleine Gruppe von Adventisten den biblischen Ruhetag zu halten.

Wheeler tauschte sich über das Thema mit seinem Kollegen Thomas M. Preble (1810-1907) aus, der die neue Erkenntnis zunächst in der Zeitschrift Hope of Israel (28. Feb. 1945) und später in einem Traktat veröffentlichte.[2] Das Traktat bekam Joseph Bates (1792-1872) in die Hände und war von dem Thema so beeindruckt, dass er sich auf den 225 km langen Weg machte – bereits 53-jährig, mit Dampfeisenbahn, Postkutsche und zu Fuß – um Wheeler und seine Sabbathalter kennenzulernen. Später haben sich Wheeler und Farnsworth den Siebenten-Tags-Adventisten angeschlossen.[3]

Joseph Bates schrieb 1846 sein eigenes Traktat über den Sabbat, wodurch auch James und Ellen White die Sabbatwahrheit annahmen. Durch weiteres Bibelstudium erkannten sie, dass Jesus das Gesetz nicht aufgelöst hat (vgl. Matthäus 5,17-18). Als sabbathaltende Adventisten sahen sie sich als diejenigen, welche die Gebote Gottes halten und den Glauben Jesu haben.[4]

Die Toten schlafen

Viele Menschen glauben bis heute, dass sie von Geburt an unsterblich sind. Der Tod betrifft ihrer Ansicht nach nur den Körper, aber ohne Ruhe lebe der Geist oder die Seele weiter, entweder im Himmel, in der Hölle oder bekommt einen neuen Leib.

Der methodistische Pastor George Storrs (1796-1879) predigte ab 1840, dass der Mensch keine angeborene Unsterblichkeit hat, sonder als Kind Gottes ewiges Leben erbt. Die Unsterblichkeit hat also eine Bedingung. Der Tod ist ein Schlaf, aus dem es ein Erwachen und Weiterleben gibt, und zwar, wenn Jesus Christus wiederkommt.[5] Als sich Storrs der Miller-Bewegung anschloss, wurde die Ansicht von der bedingten Unsterblichkeit von vielen Adventisten übernommen.

Das Heiligtum

Nun war die Lehre von der Wiederkunft Jesu (Advent) ja gar kein neues Licht. Neu war, dass Jesus so knapp vor der Tür stand, weil die biblischen Prophezeiungen sich erfüllten. Die Auslegung von Daniel 8,14 spielte dabei die zentrale Rolle.

Unter dem Heiligtum, das gereinigt werden sollte, verstand Miller die Erde. Nach der großen Enttäuschung hatte Hiram Edson (1806-1882) am 23. Oktober 1844 erkannt, dass es sich bei dem Heiligtum um das Himmlische handelt, wo Jesus Christus als Hohepriester dient, „und dass er, ehe er zur Erde kommen konnte, im Allerheiligste einen Dienst tun musste.”[6]

Der schmale Pfad

Nur wenige Wochen nach der großen Enttäuschung vom 22. Oktober 1844 hatte Ellen G. Harmon (1827-1915) kurz nach ihrem 17. Geburtstag eine Vision: Sie sah auf einem hohen schmalen Pfad die Adventisten auf dem Weg ins Reich Gottes pilgern. Diese Vision war eine Ermutigung für die enttäuschen Milleriten, denn Gott sicherte zu, dass er von Anfang an diese Bewegung geführt hatte und sie auf dem sicheren Weg sind, solange sie auf Jesus Christus schauen.

Ellen Harmon gab ihre Vision den enttäuschten Adventisten weiter. Unter Mitarbeit von James White, Joseph Bates und anderen trafen sie sich zum Bibelstudium. Die erste „Konferenz“ war 1847.[7] Bei diesen Versammlungen einigte man sich auf diese Glaubens-Grundpfeiler: (1) Jesus kommt bald wieder (Advent), (2) der siebente Tag ist der Sabbat (Samstag), (3) bedingte Unsterblichkeit, (4) Heiligtumslehre und (5) dass Gott die kleine Herde durch die Gabe der Prophetie führt. Dass die Bibel Gottes Wort ist, dass Gott der Schöpfer ist, dass Jesus für die Erlösung aller Menschen gestorben ist, etc., waren für sie selbstverständliche Glaubensgrundsätze, die sie nicht als „present truth“, als „gegenwärtige Wahrheit“, verkündigten, aber von Herzen glaubten. Darüber kann man auch einiges in ihrer ersten Zeitschrift „The Present Truth“ ab Juli 1849 lesen.

Adventistische Glaubensgrundsätze

Zum Schluss noch ein Gedanke zu den 28 Glaubensgrundsätzen. Sie sind kein starres „Credo“ und stehen nicht über der Bibel. Sie kommen aus der Heiligen Schrift und fassen zusammen, was Siebenten-Tags-Adventisten glauben.

Ellen White (1827-1915) schrieb am 20. Dezember 1892 in der Zeitschrift Review and Herald: „Niemand sollte behaupten, es gäbe keine weiteren zu offenbarenden Wahrheit oder dass alle unsere Schriftauslegungen irrtumsfrei seien. Die Tatsache, dass bestimmte Lehren von uns seit vielen Jahren als Wahrheit angesehen werden, ist kein Beweis dafür, dass unsere Ideen unfehlbar sind. Eine lange Zeit macht Irrtum nicht zur Wahrheit und Wahrheit kann es sich leisten, fair zu sein. Die wahre Glaubenslehre hat bei genauerer Betrachtung nichts zu verlieren.“[8]

So heißt es in der Präambel zu den 28 Glaubensüberzeugungen der Siebenten-Tags-Adventisten: „Diese Glaubensaussagen stellen dar, wie die Gemeinde die biblische Lehre versteht und bezeugt. Eine Neufassung ist anlässlich einer Vollversammlung der Generalkonferenz (Weltsynode) dann zu erwarten, wenn die Gemeinde durch den Heiligen Geist zu einem tieferen Verständnis der biblischen Wahrheit gelangt oder bessere Formulierungen findet, um die Lehren des heiligen Gotteswortes auszudrücken.“

Genau das ist ja in der jüngeren Adventgeschichte geschehen. Als ich getauft wurde (1997), gab es nur 27 Glaubensüberzeugungen (offiziell bei der Generalkonferenz 1980 verabschiedet). Bei der Generalkonferenz 2005 in St. Louis (Missouri, USA) wurde der 11. Glaubenspunkt „Wachsen in Christus“ eingefügt und die restlichen Punkte nach hinten verschoben. Bei der letzten Generalkonferenz 2015 in San Antonio wurde eine Umformulierung aller 28 Glaubensüberzeugungen verabschiedet.

Siebenten-Tags-Adventisten haben nur die Bibel als alleinige Grundlage ihres Glaubens. Die Glaubensüberzeugungen sind eine Formulierungshilfe, um auszudrücken, was in der Bibel steht. Es lohnt sich, diese Punkte zu studieren und zu erforschen, wie jeder Einzelne als Speiche am Rad zur Narbe, zum Zentrum, zu Jesus Christus führt.

Hinweis: Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift Salvation & Service, Ausgabe 1, 2020, Nr. 61, S.40-43

[1] 1.Thess 4,13-18; siehe auch. Joh 14,1-3; Apg 1,11; Off 1,7; 22,20.

[2] A Tract, Showing That the Seventh Day should be observed as the Sabbath instad of the First Day; According to the Commandment [2Mo 20,8-11]

[3] Preble hat den biblischen Sabbat leider wieder aufgegeben.

[4] vgl. Off 12,17; 14,12. Siehe auch Ellen G. White im Brief 326 an W. C. White vom 4. Dezember 1905.

[5] Vgl. Dan 12,1-3; Joh 5,28-29; 1Th 4,13-18; Pred 9,5.6.10; 12,7; Joh 11,11-14; etc.

[6] C. Mervyn Maxwell, Die herrliche Enttäuschung: Was 1844 wirklich geschah, Wien: Top Life-Wegweiser Verlag, 2010, 88. Maxwell zeigt in diesem 6. Kapitel auf, dass diese Idee nicht völlig neu war. Am Ende des Kapitels befinden sich die wichtigsten Bibelstellen zu diesem Thema..

[7] Weitere Konferenzen siehe https://www.the-white-project.net/organisation/ (08.12.2019).

[8] Counsels to Writers and Editors, 35. https://egwwritings.org/?ref=en_CW.35.1 (08.12.2019).

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